Die lange und traditionsreiche Geschichte des Köhlerhandwerkes kann man nicht allein von ihrer handwerklichen und technischen Seite her betrachten; sie erbrachte darüber hinaus eine bunte Vielfalt kultureller Zeugnisse! Eine grosse Fülle von Geschichten, Sagen, Märchen, Gedichten, Bildern, Liedern, Sinnsprüchen, Kochrezepten usw. schlummern in Sammlungen, Archiven und Erinnerungen und geraten nach und nach in Vergessenheit. In der Rubrik Köhlerei&Kultur wollen wir eine kleine Auswahl dieser kulturellen Niederschläge des Köhlerlebens vorstellen, die hoffentlich Appetit auf mehr macht. Inzwischen gibt es zu diesem Themenkreis ein umfangreiches Heft in unserer Freien Schriftenreihe. Als Nr. 18 ist in dieser Reihe erschienen 'Erzählt, Gereimt, Gesungen - Geschichten, Gedichte und Lieder vom Köhlerleben aus vier Jahrhunderten'. Erhätlich zum Preis von 12 00 € zzgl. Versandkosten bei Karl Josef Tielke, Liethberg 20 A, D-33178 Borchen oder per Email: tielke-borchen@t-online.de
Dass die moderne Kunst immer wieder auf Holzkohle zurückgreift, zeigen die Skulptur Heavy shadows/Schwere Schatten von Christoph Both-Asmus und die Wandzeichnung Sunrise/Sonnenaufgang von Monika Goetz.
Lang her die Zeit - Ungereimte Erinnerungen an die Köhlervorfahren -
Lang her die Zeit Als in den Wäldern Die Köhler zogen ein und aus Um Kohlen aus dem Holz zu brennen Zum Wohl der Menschen ihrer Zeit
Lang her die Zeit Als sie sich plagten Bei schmaler Kost für kargen Lohn Tagaus tagein bei Wind und Wetter Mit wenig Schlaf in schwarzer Nacht
Lang her die Zeit Als sie am Feuer Gesellig sassen in dem Kreis Erzählten schaurige Geschichten Stets wachsam auf des Meilers Brand
Lang her die Zeit Als sie trotz Armut Mit allen, die in grosser Not Bei ihnen Zuflucht finden konnten Geteilt das Lager und das Brot
Lang her die Zeit Als all das endet Weil Fortschritt keine Köhler wollt’ Trotz langer Dienste für die Menschheit Nicht mehr gebraucht - vergessen bald
Jetzt ist die Zeit Das zu erinnern Und nicht nur das, was sie getan Nicht zu vergessen, was sie prägte Das Erbe ihrer Lebensart
Jetzt zieh’n wir Köhler In die Wälder Und halten hoch den alten Stand Der Meilerduft erfüllt die Felder Und grenzenlos zieht er durch’s Land
(Karl Josef Tielke *1948)
Es muss so um das Jahr 1932 gewesen sein. Der siebenjährige Knabe Josef durfte in den Sommerferien seinen Onkel Heinrich am Meiler besuchen, und er sollte auch in der Köhlerhütte übernachten dürfen. Der Meilerplatz im Wald war ein gehöriges Stück Weg vom Dorf Züschen entfernt, und Josef wurde schon müde, als er ankam. Doch das ganze Leben an den Meilern, der eigenartige Geruch, das einfache Leben und vor allem der Onkel Heinrich, der ihm alles erklärte, weckten frische Lebensgeister in dem Jungen. Die Zeit verging im Flug und nach dem einfachen Essen - es gab wieder einmal Dämpetufeln - war Josef rechtschaffen müde. Schnell schlief er tief und fest ein, während die Köhler sich weiter um die Meiler kümmerten. Es war tiefe Nacht, als Josef von Geräuschen geweckt wurde. Was konnte das sein? Ein Scharren und Stöhnen konnte er hören und kriegte kräftig Angst, den Onkel Heinrich war nicht zu sehen. Die Geräusche hörten nicht auf. Jetzt wollte er es wissen und lugte vorsichtig unter dem Vorhang der Hütte nach draussen. Was er da sah, jagte ihm einen gehörigen Schreck ein: zwei haarige Beine, Füsse mit Hufen: das musste der Leibhaftige (der Teufel) sein! Er wagte nicht, sich zu bewegen, verkroch sich auf die moosbedeckte Pritsche und zog die Decke über den Kopf. Ab und zu lugte er zum Eingang, und was er dann sah, machte seine schlimmsten Befürchtungen zur Gewissheit: der Vorhang wurde zur Seite gezogen und es erschien ein geschwärztes Gesicht mit verschwitzen Haaren: Gott sei mir gnädig, das ist der Leibhaftige! „Junge, was ist denn mit dir?“ fragte eine vertraute Stimme, und Josef erkannte seinen lieben Onkel Heinrich, der vom Meiler zurück kam und sich etwas hinlegen wollte. Was war passiert: das Scharren und Stöhnen, die haarigen Beine mit den Hufen gehörten nicht dem Teufel, sondern einem Hirsch, der sein Abendessen mit den neben der Hütte liegenden Kartoffelschale aufgebessert hatte…
Diese wahre Geschichte hat mir mein inzwischen zweiundneunzigjähriger Onkel Josef Lange 2016 in Züschen an unserem Meiler erzählt. Onkel Heinrich, den er damals am Meiler besucht hatte, ist mein Grossvater, der Köhler Heinrich Tielke, dem ich meine Leidenschaft für unser altes Handwerk verdanke - Karl Josef Tielke
Materialien: Buche, Holzkohlen, Ms Kleber Maßangaben: 200b x 630h x 160t cm zur Verfügung gestellt vom Künstler, Christoph Both-Asmus © 2016
Der Idee zur Skulptur, die als ‘Land Art’ im Polnischen Gdańsk installiert wurde, liegt zugrunde ein Lebewesen, eine junge Buche, nicht wesentlich zu verändern. Jedoch ein bestimmtes Gefühl durch den Baum bzw. die Skulptur zum Ausdruck zu bringen. Hierzu wurde der Stamm der jungen Buche, in Wuchsrichtung, auf das Genaueste, mit Holzkohlen bedeckt. Die ‘schweren Schatten’, werden zum Ausdruck gebracht durch die Holzkohlen die den Baum bedecken und krümmen. Dies soll das Gefühl der inneren Erschöpfung, welches viele Menschen in sich tragen, die zu Flüchtlingen werden und unwillkommen in der Fremde sind, dem Betrachter nahebringen. Die Hoffnung des Künstlers ist, dass ein Mitgefühl durch seine Arbeit entsteht, welches zu mehr Solidarität innerhalb unserer Globalen Gesellschaft führt. Gleichzeitig ist Christoph Both-Asmus als ‘Sustainable Artist’ aktiv und die Belastung, die sich entlang der ‘Wirbelsäule’ des Baumes zeigt, ist unverkennbar auch als die akute Belastung des Planeten zu interpretieren. “Wenn man die Skulptur genau betrachtet sieht man, dass ich mit den Holzkohlen nur die natürliche Wuchsform des Stammes vorausgenommen habe. Auf diese Weise habe ich, die Kräfte der Natur, die sich entfesseln, sichtbar gemacht.” (Christoph Both-Asmus, Berlin)
Licht oder die Abwesenheit von Licht, Raum an sich, sowie der Vorgang des Sehens haben eine große Bedeutung in den Projekten der Künstlerin Monika Goetz. Es entstehen in der Regel ortsspezifische Arbeiten, die durch subtile Ergänzungen oder Manipulationen neue Kontexte herstellen und die Welt neu erleben lassen. Die Arbeit „Sunrise“ (Sonnenaufgang) aus dem Jahr 2016 ist eine poetische Wandzeichnung (Höhe 2,5 m / Breite 3,76 m / Tiefe 6 cm), die Werden und Vergehen gleichermaßen in sich trägt. Die mit dem Begriff ‚Sonnenaufgang’ verbundenen Assoziationen an Helligkeit und etwas Beginnendes werden durch das Schwarz der verkohlten Holzbohlen konterkariert. Der aufwendige Herstellungsprozess, der in Monika Goetz' Arbeiten einer versteckten Performance gleich dem öffentlichen Zeigen häufig vorangeht, ist auch im Fall von Sunrise nur noch zu erahnen. Durch das Verkohlen der einzelnen Fichten- und Tannenbohlen wurde die Struktur der Hölzer verändert und es entstanden unterschiedliche, unvorhersehbare Muster. Wie so oft in ihren Installationen ist die Ästhetik dieser Arbeit das Ergebnis des Ineinandergreifens von Planung und Zufall. (Text: Ferial Nadja Karrasch/Fotos: def image, Courtesy Monika Goetz & SCHWARZ CONTEMPORARY)