Wenn ich heute einen jungen Menschen frage, wozu man Holzkohle braucht, wird er vermutlich 'zum Grillen' antworten. Wenn ich den gleichen jungen Menschen frage, wozu man Holzteer braucht, wird er mich vermutlich fragend ansehen und 'Was soll das denn sein?' antworten.
Was für eine Diskrepanz zur historischen Bedeutung von Holzkohle und Holzteer in der kulturellen und technischen Entwicklung der Menschheit durch Jahrtausende!!! Denn: ohne Holzkohle wäre kein Gramm Erz geschmolzen und verarbeitet worden! Ohne Holzteer wäre kein Schiff seetüchtig gewesen!
Weil das Wissen um die Bedeutung dieser Zusammenhänge immer geringer wurde, und das handwerkliche Können zu verschwinden drohte, begannen Mitte der 1990er Jahre Menschen in einigen traditionellen Köhlereiregionen, darüber nachzudenken, wie diese Entwicklung positiv beeinflusst werden könnte. Am Ende dieses Nachdenkens stand der Entschluss, einen Europäischen Köhlerverein zu gründen. Dort sollten sich aktive Köhler und Teerschweler sowie Freunde und Unterstützer des alten Handwerkes zusammenschließen, um in einer Art europäischem Netzwerk die Tradition des Köhlerhandwerkes zu pflegen und lebendig zu halten.
Am 3. Oktober 1997 fand in der Köhlerei am Stemberghaus in Hasselfelde (Harz) die Gründungsversammlung des Europäischen Köhlervereins statt. Achtzehn Aktive unterzeichneten den Gründungsbeschluss. Europäisch war die Idee, Deutsch die Anwesenden. Das sollte sich bald ändern, denn die Idee des Dachverbandes der Köhler und Teerschweler sprach sich auch in anderen europäischen Regionen schnell herum. Aus den achtzehn Gründungsmitgliedern von 1997 sind nach zweiundzwanzig Jahren mehr als dreitausendfünfhundert Mitglieder geworden. Den Dachverband bilden inzwischen mehr als vierzig Vereine und Gruppen, vier Kommunen und über achtzig Einzelmitglieder. Hinzu kommen sechs fördernde Mitglieder/Organisationen/Institutionen. Köhlerfreunde aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Rumänien, der Schweiz, Slowenien und Tschechien bilden dieses europäische Netzwerk, das nationale Grenzen überschreitet. Die Mitgliederversammlung 2017 hat entschieden, den Namen in Europäischer Köhlerverband e.V. zu ändern.
Der Verband ist als eingetragener Verein nach deutschem Recht mit entsprechender Satzung organisiert. Die Mitgliederversammlung ist das höchste Gremium. An der Spitze des für vier Jahre gewählten Vorstandes stehen der Präsident, zwei Vizepräsidenten, der Schatzmeister und der Schriftführer. Zusammen mit den 10 Beisitzern bilden sie das Präsidium.
Höhepunkte im Leben des Europäischen Köhlerverbandes sind die im Zweijahresrhythmus stattfindenden Europäischen Köhlertreffen mit inzwischen bis zu dreihundert Teilnehmern aus ganz Europa. Diese mehrtägigenTreffen mit Begegnung, Erfahrungsaustausch, Kulturprogramm, Fest und Feier sowie der Mitgliederversammlung finden in unterschiedlichen Orten statt:
1996 - Sosa (Erzgebirge), Deutschland
1999 - Tornau (Dübener Heide,) Deutschland
2001 - Selb/Fichtelberg (Franken), Deutschland
2003 - Braunlage/Hasselfelde (Harz), Deutschland
2005 - Rohr im Gebirge, Österreich
2007 - Eisenschmitt/Oberkail (Eifel), Deutschland
2009 - Rostock-Wiethagen (Ostsee), Deutschland
2011 - Zoppé di Cadore (Dolomiten), Italien
2013 - Sörenberg (Entlebuch), Schweiz
2015 - Neukirchen (Oberbayern), Deutschland
2017 - Lembach (Elsaß), Frankreich 2019 - Hardehausen und Giershagen (Deutschland) 2021 - Wolfshagen (Deutschland)
Jährlich findet eine mehrtägige Präsidiumssitzung an wechselnden Orten statt; bisher in Sosa, Selb, Glasofen, Fichtelberg, Rostock-Wiethagen, Rohr im Gebirge (Österreich), Braunlage, Kleve, Bad Schlema, Mengersgereuth-Hämmern, Freiberg, Walpersdorf, Entlebuch (Schweiz), Jesberg, Plana (Tschechien), Hasselfelde, Warburg-Hardehausen, Dachsberg, Goluchów (Polen), Wolfshagen, Bad Kohlgrub, Baiersbronn, Ebermannsdorf...
Seit 2006 erscheint einmal jährlich das Magazin des EKV 'Der Köhlerbote' mit Bildern und Berichten über Aktivitäten der Mitglieder und Fachbeiträgen zu Themen der Köhlerei und Teerschwelerei.
Die Homepage www.europkoehler.com informiert über das aktuelle Geschehen, Hintergründe, Historie, laufende Termine usw.
In der freien Schriftenreihe wurden in bisher 18 Heften Themen der Köhlerei, der Teerschwelerei, der Forstwirtschaft, des Bergbaus auf wissenschaftlicher Grundlage veröffentlicht. Weitere Hefte sind in Vorbereitung
Die Umsetzung der Unesco-Konvention zur Bewahrung des weltweiten immateriellen Kulturerbes aus dem Jahr 2003 hat inzwischen in vier europäischen Ländern zur öffentlichen Anerkennung unseres traditionellen Handwerkes geführt:
- 2011 wurde die 'Köhlerei' in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen;
- 2012 fand das 'Köhlern im Entlebuch' Aufnahme in die Liste der lebendigen Kulturen in der Schweiz;
- 2012 wurde die Köhlerei ('Oglarstvo') in das nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Slowenien aufgenommen;
- 2014 erreichten 'Köhlerhandwerk und Teerschwelerei' (Trägergruppe: Europäischer Köhlerverband) den Eintrag in das erste bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Deutschland.
Mit der Anerkennung als immaterielles Kulturerbe hat sich der Europäische Köhlerverband auch verpflichtet, sich für den Erhalt der alten Technologien einzusetzen, damit auch nachfolgende Generationen in der Lage sein werden, das Handwerk zu beherrschen und weiterzugeben. Das ist mehr als Brauchtumspflege! Denn inzwischen nutzt die Wissenschaft weltweit die alten Erkenntnisse des Köhlerhandwerkes, um die Energieprobleme der Menschheit anzugehen: Einsatzgebiete in der Produktion von Solarzellen, bei der Bodenverbesserung (Terra preta oder auch Terra carbonaria), in der Filtertechnik, in der Medizin usw. zeigen auf, dass ein altes Handwerk in neuen Zeiten immer wieder lebendig und zukunftsträchtig werden kann.